Er lieferte das Muster und den Ansporn für eines der wohl berühmtesten, von dem britischen Komponisten Andrew Lloyd Webber komponierten, Musicals aller Zeiten. Der Roman des französischen Autors Gaston Leroux „Das Phantom der Oper“.
Seien Sie mal kein Leser, sondern schauen Sie auf den Spielplan und lassen sich die 1880 in der Pariser Oper spielende Geschichte in einem atmosphärischen Hörspiel erzählen.
Der französische Journalist - kein anderer wie der Autor selbst - Gaston Leroux hat von dem legendären Geist der Pariser Oper gehört. Bei dem Versuch, etwas mehr darüber zu erfahren, trifft er auf die noch letzte in einem klösterlichen Altenstift lebende Zeugin, die ehemalige Logenschließerin Madame Giry.
Es ist das Jahr 1880 als Madame Giry ihre erste Begegnung mit dem Phantom der Oper hat. Ist es Einbildung oder ein Gespenst als sie eines Abends von einer unwirklichen Stimme aus Loge Nr. 5 angesprochen wird? Sie weiß es nicht, übernimmt aber fortan auf Bitten des Phantoms die Betreuung der Loge. In der Oper übt zur gleichen Zeit Nacht für Nacht die junge Sängerin Christine Daaé, um ihren Gesang zu verbessern. Als das Phantom sich in diese bildhübsche junge Frau verliebt, bietet es Christine Daaé seine Hilfe an. Das Phantom will ihr zu Weltruhm verhelfen. Einzig ein Schweigegelübde und nur die Liebe zu ihm und zur Musik dürften fortan ihr Leben bestimmen. Unterdessen kommt es an der Oper zu einem Generationswechsel. Der alte Direktor verabschiedet sich in den Ruhestand, beschwört aber vorher die beiden jungen neuen Direktoren noch, den mit dem Phantom bestehenden Pachtvertrag aufrecht zu erhalten. 240.000 Franc pro Jahr und dazu für jeden Abend das Filetstück der ganzen Oper, die Loge Nr. 5. Die beiden neuen Direktoren finden die ganze Angelegenheit lächerlich und ignorieren den Rat des alten Direktors. Doch ihre Gelassenheit soll bald umschlagen. Denn schon nach kurzer Zeit kommt es unter den Mitarbeitern der Oper zum ersten Todesfall. Und Madame La Carlotta, die erste Stimme der Oper, ist außer sich, als das Phantom von ihr fordert, zugunsten von Christine Daaé das Gretchen in der Faust Oper nicht zu singen. Uneinsichtig singt La Carlotta an diesem Abend trotz der heftigen Drohung doch und verliert mitten im Akt ihre Stimme, so dass Christine Daaé einspringen muss. Das Publikum ist begeistert und ebenso ihr in der Oper sitzender Jugendfreund Raoul. Sie entdecken ihre Liebe wieder und entscheiden sich, vor dem Phantom zu fliehen.
Das Phantom ist verletzt und verbittert über den Verrat und entführt Christine in die finsteren Gewölbe unter der Oper. Ein ziemlich lebendiger Geist, der Erik heißt. Selbst hier, tief im Verborgenen, maskiert er sein Gesicht. Er ist ein großes musikalisches Talent und seit Jahren komponiert er an seiner Oper „Don Juans Triumph“. Mit ihrer Fertigstellung wird er von dieser Welt gehen und Christine mit sich nehmen. Christine, getrieben von der Angst, reißt ihm die Maske ab und weicht vor Entsetzen zurück. Währenddessen jagen Raoul, sein Bruder Philippe und dessen Freund, den man nur den Perser nennt, der Entführten nach. Der Perser kennt Erik noch von früher, aus ihrer gemeinsamen Zeit in Persien am Hofe des Schahs. Der Perser ist eingeweiht in Eriks Geschichte. Es ist die Geschichte eines unsagbar entstellten Gesichtes, die Geschichte eines Zerrbildes der Natur, das sich seit Kindheit an hinter einer Maske verbergen muss. Ein überaus begabtes Zerrbild, dass sein architektonisches und musikalisches Können nicht der Welt präsentieren kann. Einzig seinen Verfolgern, die in die Falle tappen, kann Erik seine Baukunst anhand seiner konstruierten Folterkammern präsentieren. Als den Nachjagenden der Tod droht, löst Christine sie mit einem Treueschwur der Liebe an Erik aus. An die Stelle ihres Entsetzens tritt Mitgefühl und Anteilnahme. Erik lässt sie gehen. Nur noch einmal wird sie die Finsternis betreten, um Erik ein letztes Mal lebe wohl zu sagen.
In der atmosphärischen Hörspielvariante von „Das Phantom der Oper“ werden Gaston Leroux’s Figuren durch ihren sprachlichen Ausdruck mit Leben gefüllt und unterscheidbar. Der Hörer bewegt sich mit ihnen durch Klangfelder der Oper, die durch die verschieden schattierten Töne, die Stimmen mit ihren variierten Tonlagen und durch die Musik sichtbar werden. Aber auch die Gefühle verlieren mit der Akustik ihre stille Verborgenheit. So wird aus dem unwirklichen Erik, der sich vor der Welt und ihrer Demütigung und Erniedrigung in die Rolle des Phantoms geflüchtet hat, ein sensibles Ich. Hinter dem ihm von Geburt an zugewiesenen Schreckensbildnis entdeckt der Hörer etwas anderes, etwas Kostbares. Ein sichtbares Talent, das sich wie jeder andere auch nach Liebe und Anerkennung sehnt. Ein Getriebener, der doch ein anderer ist.
„Das Phantom der Oper“, ein farbiger Klangausflug in die Welt der Oper und der Trugbilder, der zeigt, dass in uns allen ein Don Juan, ein anderer, steckt.
Das Phantom der Oper, Gaston Leroux, Gruselkabinett, Folge 4, Hörspiel von Marc Gruppe, mit Hörspiel-Legende Dagmar von Kurmin, Torsten Michaelis (u.a. dt. Stimme von Wesley Snipes und Sean Bean), Marie Bierstedt (Kate Beckinsale & Kirsten Dunst), Ursula Heyer (Joan Collins), Patrick Winczewski (Tom Cruise) u. a., 1 CD ca. 78 Minuten, Titania Medien, Leverkusen 2005, ISBN 978-3-7857-3243-4, SPV CD 412-173082
© Soraya Levin