Wo Bombenleger und Selbstmordattentäter vor Anker gehen, da klebt im Alltag die Angst wie Kaugummi.
In Yishai Sarids Politthriller Limassol geht gerade wieder eine tickende Bombe in Israel um. Der Ich-Erzähler, Agent beim Inlandgeheimdienst Schabak, soll die Gefahr aufhalten. Eigentlich ist unser Geheimdienstler ein Akademiker und eigentlich auch gewaltlos. Doch er gerät immer stärker unter Druck. Die Zeit sitzt ihm im Nacken, der Stresspegel wird immer höher. Die Verhöre werden brutaler, ein Gefangener kommt ums Leben. Das Attentat kann letztlich nicht verhindert werden. Der Ich-Erzähler fühlt sich verantwortlich. Verantwortlich für den toten Gefangenen und verantwortlich für die Attentatsopfer. Und wieder ist ein Anschlag geplant. Genaues weiß man noch nicht, nur dass es sich diesmal um eine wirklich ganz große Sache handeln soll. Drahtzieher ist der Sohn von dem in Gaza lebenden Schriftsteller Hani. Über den Vater soll der Ich-Erzähler an den Sohn herankommen. Eine Schnittstelle tut sich auf. Daphna, die ehemalige Geliebte von Hani, steht immer noch mit ihm in Kontakt. Unser Agent wird auf sie angesetzt. Er gewinnt ihr Vertrauen und - wider den Spielregeln - verliebt sich in sie. Derweil stellt sie den Kontakt zu Hani her. Zwischen beiden tut sich etwas.
Eine ganz bestimmte Nähe und Beziehung entwickelt sich. Da ist plötzlich so etwas wie zwischen Vater und Sohn. Der Ich-Erzähler ist immer stärker zerrissen zwischen Staatsloyalität und seinem Gewissen. Eine emotionale Gratwanderung, die die geplante Kommandoaktion in der zyprischen Hafenstadt Limassol in Gefahr bringt.
Limassol ist mehr wie ein packender Politthriller. Neben der Geheimdiensttätigkeit des Ich-Erzählers, den Terroranschlägen und einem im Nebenstrang ablaufenden kriminellen Drogenhandel läuft noch eine ganz andere Geschichte ab. Die einer Liebe verbunden mit der Auflösung eines Zerrbildes. Nämlich das des Feindes. Yishai Sarids Ich- Erzähler befindet sich in einer bizarren Konfliktspirale. Er hat für die Sicherheit des Landes zu sorgen und einen Attentäter dingfest zu machen. Er kommt aber seinen vermeintlichen Feinden so nahe, dass deren Emotionen wie Gift in ihn einsickern, dass er ihren Schmerz, ihre Sehnsüchte und Empfindungen teilt. Diese Fülle an Emotionen überrollt ihn geradezu und durchbricht das israelisch-palästinensische Freund-Feind Schema mit einem Sieg über den Hass.
Sarid hat ein überaus scharfes Auge für menschliches Verhalten. Seine Personenzeichnung ist großartig und liefert eine Fülle an menschlichen Fehlverhalten und Gefühlen.
Yishai Sarid, Limassol, Politthriller, Orig.: Limassol, aus dem Hebräischen von Helene Seidler, Coverbild: Steffen Jänicke, Klappenbroschur, 2010 Kein & Aber AG Zürich, 206 Seiten, ISBN: 978-3-0369-5554-4, 16,90 €, 27,90 CHF
© Soraya Levin