Wir schreiben das 21. Jahrhundert und die westliche Zivilisation sieht einem Massaker auf europäischen Boden zu. Aus dem 20. Jahrhundert haben wir scheinbar nichts gelernt.
Wir glaubten, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in Sicherheit zu sein.
Wir haben den Machteliten jedweden Raum gegeben. Innerstaatliche Repressionen gegen die Opposition, Auftragsmorde über die Grenzen hinweg, völkerrechtswidrige Handlungen wie der Tschetschenien-Krieg und die Krim-Annektion wurden weitestgehend hingenommen. Unbeirrt wurde an dem russischen Friedensmärchen festgehalten. Diese Handlungsweise hat aber wie wir sehen, nicht zur Konfliktverhütung beigetragen. Ganz im Gegenteil. Diese Fehleinschätzung der Außen- und Sicherheitspolitik der vergangenen Jahre ist der Kardinalfehler gewesen. Ein Kardinalfehler, den die Ukrainer jetzt bitter für uns alle bezahlen: Tote und Trauernde. Menschen auf der Flucht und Heimatlose. Zerstörte Kulturstätten, zerstörte Gedenkstätten, zerstörte Städte und Dörfer, zerstörte SEELEN.
Wie begegnen wir der Bedrohung unserer freiheitlichen und demokratischen Ordnung in Europa? Mit Schweigeminuten und Kerzen, mit Schulterklopfen und Applaus für die kämpfenden Helden in der Ukraine. Wie ignorant. Damit werden wir diesem Völkerrechtsbruch nicht beikommen. Auch wenn wir es uns sehnlichst wünschen. Machtversessene Expansionspolitiker wie Putin und ideologische oder religiöse Fanatiker, die vielmehr nach dem benannt werden sollten, was sie sind, nämlich Schwerstverbrecher, werden von dieser Art und Weise nicht beeindruckt sein und nicht gestoppt werden können. Denn die reale Bedrohung, denen sich diese Verbrecher ausgesetzt sehen, ist die liberal-demokratische Ordnung.
Putin hat Interesse daran, die Nato aus diesem Krieg herauszuhalten. Die oberflächlich verschleierte Drohung mit einem atomaren Schlag deutet darauf hin.
Die Vereinten Nationen dürfen sich jetzt nicht einschüchtern lassen. Sie müssen umgehend handeln und zwar weitere, härtere friedenserzwingende Maßnahmen mit robustem Mandat durchsetzen. Denn auf dem Spiel steht die freiheitlich-demokratische Ordnung von uns allen.
Soraya Levin