Mit der Wiedereröffnung des in Berlin am Pariser Platz gelegenen Hotel Adlon am 23. August 1997 scheint der Mythos des Grand Hotels neu erwacht. Cordula Seger und Reinhard G. Wittmann sind mit ihrem Werk „Grand Hotel. Bühne der Weltliteratur“ dem Mythos und der Legende auf der Spur.
Die große Gesellschaftsbühne des 19. Jahrhunderts ist das Grand Hotel. Mit seinem strahlenden extravaganten Luxus, mit den weiten großzügigen gesellschaftlichen Räumen wie Bibliotheken und Cafés, mit dem einzigartigen Interieur wie Strom und Badezimmer mit warmen Wasser und mit den eleganten und überaus lebendigen Lobbys gleicht das Grand Hotel einer stilvollen Oase des Adels und des aufstrebenden Großbürgertums.
Auch immer mehr Schriftsteller entdecken den öffentlichen und doch intimen Raum als perfekte Kulisse ihrer Romane, als Quelle der Inspiration, als Wohnort und Lebensmittelpunkt.
Die Grand Hotels der Welt ziehen Schriftsteller wie Joseph Roth in ihren Bann. Ob in Berlin das ‚Hotel am Zoo’ oder in Nizza das ‚Hotel Imperator’. Das Grand Hotel wird sein Zuhause: So schreibt Joseph Roth an Stefan Zweig „...ich gehöre nicht in Wohnungen. Es ist auch das letzte Mal, dass ich solch ein törichtes Experiment gemacht habe...“
Mit seinem Roman „Hotel Savoy“ überträgt Roth seinen Hotelkosmos auf seinen Protagonisten.
Auch Vladimir Nabokov, berühmt durch den Roman „Lolita“, macht die Welt der Grand Hotels zu seiner Heimat. 16 Jahre seines Lebens verbringt er im Grand Hotel ‚Le Montreux Palace’ in Montreux.
Ebenso ranken sich die Geschichten des Reiseschriftstellers Stefan Zweig um die Grand Hotels.
Kritisch beschreibt er diejenigen, die sich, während Europa in Schutt und Asche liegt, in den Luxushotels vergnügen.
Die Grand Hotels der Seebäder als Inspiration. So lässt der Schriftsteller Marcel Proust Szenen in seinem Roman „auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ im ‚Grand Hotel Balbec’ spielen.
In Thomas Manns Erzählung „der Tod in Venedig“ spielt das ‚Grand Hotel des Bains’ eine zentrale Rolle. Ebenso das fiktive ‚Savoy Pallace’ in „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“.
Auch sein ältester Sohn, Klaus, schreibt in einem Gedicht „Zwölfhundertstes Hotelzimmer – sei mir gegrüßt!“ Ob das ‚Hotel Excelsior’ in Berlin oder das ‚Splendid’ in Paris. Sie sind die geistige Quelle Klaus Manns schriftstellerischer Werke.
Der Roman „Menschen im Hotel“ macht aus der Schriftstellerin Vicki Baum eine Berühmtheit und Arthur Schnitzler lässt seine Novelle „Else“ im ‚Hotel Fratazza’ in San Martino die Castrozza spielen.
Agatha Christie setzt Maßstäbe für das ‚fahrende Hotel’ mit „Mord im Orientexpress“.
Und schließlich findet nicht nur Friedrich Dürrenmatts „Karlsbad der Alpen“, das ‚Waldhaus Vulpera’ in seinem Roman „Durcheinandertal“ ein brennendes Ende, sondern auch in der Realität.
Kunstvoll gelingt es Cordula Seger und Reinhard G. Wittmann eine Verbindung zwischen der Literatur und den einstigen Luxuslinern zu Land, den Grand Hotels, herzustellen. Zehn durch die Grand Hotels in ihren Bann gezogene Schriftsteller werden abwechselnd exemplarisch beleuchtet. Durch Autoren wie Marcel Proust, Klaus und Thomas Mann, Agatha Christie, Joseph Roth, Vladimir Nabokov, Friedrich Dürrenmatt, Vicki Baum, Stefan Zweig und Arthur Schnitzler bekommen die Grand Hotels dieser Welt vor, zwischen und nach den beiden Weltkriegen, ein Gesicht.
Ein exzellenter Einblick, farbig und bilderreich untermauert, in die Zeit der Grand Hotels. Ein Bild beispielloser literarischer Atmosphäre, eingefangen durch den Mythos, der zur Legende wird, das Grand Hotel.
Grand Hotel. Bühne der Literatur, Cordula Seger, Reinhard G. Wittmann (Hg.), 176 Seiten, 200 farbige Abb., Hardcover, Dölling und Galitz Verlag GmbH, München 2007, ISBN 978-3- 937904-54-2, € 19,80.
© Soraya Levin