Wir schreiben das Jahr 2064. Die neue globale Gesellschaftsordnung, die sich nach 2001 herausgebildet hat, lässt die USA in die Bedeutungslosigkeit fallen und schirmt Europa durch einen Zaun vom Rest der Welt ab. In allen europäischen Hauptstädten sindAshcroftüberwachungszentralen eingerichtet, deren primäre Aufgabe die Verbrechensbekämpfung und die Abwehr terroristisch-islamischer Übergriffe ist.
Der Spitzel Max Schwarzwald, offiziell getarnt als der Restaurantbesitzer des Chez Max, teilt sich mit seinem Kollegen Chen die Überwachung des 11. Pariser Stadtbezirks. Sie machen die Feinde des Systems, zu denen neben Drogenhändlern und Terroristen auch Raucher gehören, dingfest. In ihrem Team glänzt aber nur Chen mit Erfolgszahlen. Chen, dem alles zu gelingen scheint. Chen, der ungerührt und überlegen sein Gegenüber entblößt. Chen, dessen zynische und eckige Art bei Max nicht nur Unbehagen und Ängste sondern Minderwertigkeitsgefühle und Frustration hervorruft. Max beginnt Chen zu hassen. Max, der sich nicht gescheut hat, einen Freund zu verraten, plant nun den Verrat an seinen Partner. Heimtückisch beginnt er Chen auszuspionieren und ihn eines Verbrechens zu bezichtigen. Chen verschwindet plötzlich unter ungeklärten Umständen. Mit einem anderen – nun schwachen – Partner an der Seite, fühlt sich Max Schwarzwald in ein neues befreites Leben versetzt.
Jakob Arjounis Chez Max stellt eine in der Art von George Orwells Big Brother is watching you beherrschte Zukunft im Jahr 2064 dar. Der Gang der Ereignisse, wie der 11. September 2001, hat nicht nur zu einer neuen Weltordnung sondern auch zur Einschränkung der Bürgerrechte geführt. Arjouni lässt eine Art Stasiapparat wieder aufleben, der ironischerweise nach dem ehemaligen amerikanischen Justizminister John Ashcroft benannt ist. Arjouni stellt seinen „Helden“ Max Schwarzwald als schwachen Außenseiter dar, der sich einzig durch den Verrat an Freunden und Partnern bewährt. Arjounis Schwarz-Weiß-Bild von dem starken arroganten, teilweise sogar gegen das System handelnden Chen auf der einen Seite und dem frustrierten ewigen Zweiten Max Schwarzwald zeigt, dass unter der Oberfläche des Überwachungssystem noch ein weiteres System brodelt. Das des Neides, des Minderwertigkeitsgefühls und des Hasses, das letztlich jedes Gefühl von Mitleid erstickt. Das Material für einen äußerst guten Plot. Doch Arjounis schlicht gehaltener Erzählstimme, die in die Person des Ich-Erzählers Max Schwarzwald schlüpft, gelingt es nicht, die Leidenschaften seiner Figuren auszudrücken. Chez Max enthält eine zusammen gewürfelte Fülle an weitschweifigen Fakten wie „neue Weltwirtschaftsordnung“, „Drogen“, „Illegale“, „Gesetzesverschärfung“, „Einschränkung von Bürgerrechten“ und „Überwachungsstaat“. Was fehlt, ist aber ein fesselnden Handlungsstrang. Der tiefe Ernst und die Gefahr ehrgeizig besessener fehlgeleiteter Menschen hätte sicherlich ein zweiter guter Handlungsstrang sein können. Doch auch hier fehlt der Fokus auf den einzelnen Charakter. Die Aussage des kalten zynischen Endes kommt so bedauerlicherweise kaum herüber.
Chez Max, Jakob Arjouni, ungekürzte Lesung, gelesen von Jakob Arjouni, 4 CD, Diogenes Hörbuch, Zürich 2006, ISBN 13: 978-3-257-80060-9 und ISBN 10: 3-257- 80060-6
© Soraya Levin