Wenn es einen Autoren gibt, der über die Apokalypse schreibt und gleichzeitig Witze reißt, dann ist es mit Sicherheit der amerikanische Kultautor Kurt Vonnegut. In seinen Short-Stories Der taubenblaue Drache reflektiert er mit viel Galgenhumor die Wirklichkeit zwischen dem Gestern und Science Fiction.
Seine teilweise autobiografisch geprägten Geschichten umkreisen die Erinnerung an die Zeit als Kriegsgefangener in Dresden 1945. Hilflos erlebt er die Bombardierung der einstigen Kulturstadt Dresdens mit. Er ist es als Kriegsgefangener, der die verkohlten Leichen aus einer anderen, einer zerstörten Welt, bergen muss. Nichts rechtfertigt für ihn dieses Sakrileg der Tötung von Menschen und Kindern.
Und es ist wieder Dresden, doch diesmal drei Kriegsgefangene, die in „Kanonen statt Butter“ ihre Flucht vor dem Hunger in Rezepten suchen. Mit verbissener Leichtigkeit füllen sie ihre kleinen Notizhefte mit allerlei kulinarischen Genüssen von pikant bis deftig, knusprig und appetitlich angerichtet.
Aber auch die Nachkriegszeit steht im Lichtkegel. Wir schreiben das Jahr 1951. Ein alter Mann und ein kleiner Junge in einer kriegsgefärbten Gesellschaft. Der vom Krieg gebeutelte Alte freut sich auf den morgigen Tag, den Geburtstag des Jungen, da er ihn mit einem ganz besonderen Geschenk überraschen will. Einen Tag weg vom Krieg, in den Wald gehen, Bäume sehen und Bäche rauschen hören. Und der Junge, was spielt die Natur schon für eine Rolle, wo er das Kriegsabenteuer liebt und spielerisch den Alten erschießt.
Nicht immer muss die Perspektive vom Erdboden aus sein. Manchmal reist in einer Geschichte einer in den Kosmos und trifft dort bereits tot Gewähnte wieder.
Und wenn sich dann doch zwei Teenager aus völlig unterschiedlichen Gesellschaftsschichten lieben, scheint auch diese Liebe nur so lange gut zu gehen, bis die Hindernisse beseitigt sind.
Und was nützt es Earl und Maude, dass sie es zu etwas gebracht haben und finanziell alle Möglichkeiten des Lebens auskosten, wenn sie am Ende erkennen, dass sie ihr Leben nutzlos vertan haben.
Oder Kiah, der einfache Automechaniker, der schuftet und spart, um sich seinen Traum von einem taubenblauen Marittima-Frascati zu erfüllen. Der mit der Zeit erkennt, dass allein durch Äußerlichkeiten keine Anerkennung zu bekommen ist und schließlich sein Auto schrottreif fährt.
Kurt Vonneguts Tonfall ist sarkastisch, bissig, makaber und ironisch. Und gerade dadurch gelingt es ihm, die deprimierenden Stimmungsbilder in seinen Geschichten über den Menschen und den tiefen Ernst, der in ihnen schwingt, mit tragikomischer Leichtigkeit zum Ausdruck zu bringen. Eine unüberhörbare Handschrift, die mit viel Galgenhumor geistreich und tiefgründig die Moral der menschlichen Natur zwischen Krieg und Liebe beleuchtet.
Kurt Vonnegut, DER TAUBENBLAUE DRACHE, Erzählungen mit einem Vorwort von Mark Vonnegut aus dem Amerikanischen und mit Glossar von Harry Rowohlt, Coverfoto: plainpicture, gebunden, 398 Seiten, ISBN: 978-3-0369-5539-1, 19.90 €, 32.90 CHF
© Soraya Levin